Auf Reisen

Qingdao/China

„Reisen bildet …“, sagt man. Und das kann wohl jeder Reisende bestätigen. Von jeder Reise bringt man eine Geschichte mit.

Nun, nicht jede muss vor Publikum erzählt werden, aber in diesem Fall ist das etwas anders. Es geht um eine Reise nach China, genauer gesagt nach Qingdao, einer Hafenstadt am Gelben Meer. Niemand kommt sofort darauf, dass diese Hafenstadt mit Stralsund etwas verbindet. Es ist eine Story aus der Vergangenheit, aber sie ist nicht nur aufschlussreich, sondern hat auch Bezüge in die Gegenwart.

Mit Genehmigung des Autors darf hier aus dem Walter-Reiseführer „China“, 1985 – ISBN 3-530-68201-2, zitiert werden. Darin heißt es:

„Bis 1898 war Qingdao – die Grüne Insel – ein unbedeutendes Fischerdorf. Als direkte Folge der Tötung zweier <<Steyler Patres>> durch eine antichristliche Volksmenge besetzten deutsche Truppen die Bucht Jiaozhou; Qingdao wurde in einem 99 Jahre Gültigkeit beanspruchenden Vertrag zum deutschen Pachtgebiet erklärt. Es wurde als Marinehafen ausgebaut und 1905 durch eine Eisenbahnlinie mit der Provinzhauptstadt Jinan verbunden. Die meisten der Backsteingebäude mit den roten Dächern der heutigen Stadt stammen aus jener Zeit, als sie in ein Geschäfts-, Wohn- und ein Chinesenviertel aufgeteilt war.“

Damals schrieb man die Stadtbezeichnung „Tsingtau“.

Zur Zeit der Beschreibung im Reiseführer, also 1985, hatte Qingdao circa 2 Millionen Einwohner, heute sind es etwa 9 Millionen. Die deutsche Geschichte in Qingdao wird von der „Gesellschaft für Deutschland Studien“ erforscht und bewahrt. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in einem alten deutschen Haus nahe der Seebrücke, gleich an der Promenade. Im gleichen Haus ist auch ein Restaurant mit vielen alten Möbelstücken, wo man sich ein bisschen in die Kolonialzeit zurück versetzt fühlt.

Einige Eindrücke von dieser lebendigen Stadt am Meer:

Die Kolonialzeit Qingdaos ging 1915 zu Ende. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges besetzten Japaner die Stadt. Im Jahr 1915 musste die chinesische Regierung alle deutschen Rechte aus dem Pachtvertrag mit Deutschland an Japan übertragen. 1922 erlangte China wieder die Souveränität über das Gebiet. Die Stadt entwickelte sich zu einer Industriemetropole, die insbesondere für die Herstellung von Lokomotiven bekannt wurde. Der Hafen hat Bedeutung für die Fischerei und ausländische Kreuzfahrtdampfer.

Aber nun zu einer ganz speziellen Geschichte, die Qingdao und Stralsund miteinander verbindet. Der Stralsunder Julius Rollmann zog 1902 mit seiner Familie in seiner Eigenschaft als Kaiserlicher Marine-Hafenbaumeister nach Qingdao (Tsingtau) und sorgte vor Ort für den Ausbau des Hafens. Heute ist der Hafen in der Top-Ten-Liste unter den größten Häfen der Welt. Und wie die Bilder auch veranschaulichen: Noch heute ist die „Altstadt“ Qingdaos von der kolonialen Epoche geprägt. Übrigens war Qingdao 2008 olympisches Segelrevier!

In der jüngeren Zeit kommt eine neue maritime Achse zwischen Stralsund und Qingdao zustande. Die malaysische GENTING GROUP hat unter anderem die Pleite gegangene, ehemalige „Volkswerft“ in Stralsund erworben und will dort Kreuzfahrtschiffe bauen. Der Markt dafür in China scheint sich sehr stark zu entwickeln. Es gibt schon jetzt ein Verkaufszentrum für Kreuzfahrten – auch auf der Ostsee.

Während die deutsche Vergangenheit unübersehbar ist, ein Beispiel ist die Seebrücke von Qingdau, die in Anlehnung der Seebrücke von Ahlbeck erbaut wurde, ist Qingdao eine moderne und sehr europäisch anmutende Metropole. Davon zeugen viele Restaurants und Cafes nach französischem und italienischem Muster. Aber auch die kulinarischen Angebote sind sehr europäisch. Es gibt ein sehr schmackhaftes Bier, das einst nach deutschem Reinheitsgebot von der Germania-Brauerei hergestellt wurde. Es gibt hier auch riesige Supermärkte (Carrefour,olé), wo man – allerdings mit ziemlichen Preisaufschlägen -ausländische Lebensmittel (Käse, Kaffee, Wein) kaufen kann. Und in der deutschen Bäckerei „Hanbur“ kann man Schwarzbrot kaufen!

Lage, Klima, die zunehmende maritime Wirtschaft sowie die Erreichbarkeit aus Peking und dem Binnenland per Schnellbahn erklärt das rasante Wachstum der Stadt. Die Beliebtheit unter den Chinesen drückt sich durch eine junge und auch heiratsfreudige Bevölkerung aus. Einige Bilder belegen diesen Zustand: